Bistum Münster. Derzeit gibt es den „Synodalen Weg“ als einen Gesprächsprozess zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Von 2010 bis 2015 gab es auf Bundesebene bereits mit ähnlicher Zielsetzung den so genannten Gesprächsprozess „Im Heute glauben“. Diese Formate sind aber nicht neu. Bereits in den 1990er Jahren gab es im Bistum Münster – wie auch vergleichbar in anderen Diözesen – das so genannte Diözesanforum mit dem Titel „Mit einer Hoffnung unterwegs“. Margret Pernhorst aus Lüdinghausen (78), eine der Initiatorinnen und damals Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken, erinnert sich.
Wie haben Sie persönlich das Diözesanforum „Mit einer Hoffnung unterwegs“ (1994 – 1997) in Münster erlebt?
Margret Pernhorst: Nach meiner Wahrnehmung gab es damals eine große Euphorie. Alle Themen, die die Kirche im weiteren Sinne betreffen, sollten besprochen werden. Bevor es auf oberster diözesaner Ebene diskutiert wurde, gab es im Vorfeld eine Vielzahl von Gesprächskreisen auf Gemeinde- und regionaler Ebene. „Angstfrei mit Freude Kirche sein“ war seinerzeit das Schlagwort. So machten wir uns mit viel Optimismus ans Werk.
Wie groß war der Wunsch nach Veränderungen in der Kirche?
Margret Pernhorst: Nicht anders als heute: die Aktiven in Verbänden und Gemeinden wollten eine zukunftsfähige Kirche, alte Strukturen sollten aufgebrochen werden. Vielen war klar, dass es so wie bisher nicht weitergehen konnte, denn die Menschen ändern sich, darum muss sich auch die Kirche auf allen Ebenen stets ändern.
Zum Abschluss gab es rund 1.200 Stellungnahmen von fast 600 Einsendern. In drei Vollversammlung mit Delegierten aus allen Regionen und Ebenen wurden diese diskutiert. Wie ging es bei den Vollversammlungen zu?
Margret Pernhorst: Es war eine gute Atmosphäre. Es gab Gesprächsbereitschaft und Offenheit – auch von Seiten der Bistumsverantwortlichen. Wir sind auch menschlich trotz Differenzen in der Sache gut miteinander ausgekommen. Natürlich war klar, dass viele Veränderungswünsche nicht auf Bistumsebene beschlossen werden konnten. Bischof Dr. Reinhard Lettmann stellte dann häufig fest: „Ich nehme es zur Kenntnis und werde es nach Rom weiterleiten.“ Daran haben wir geglaubt. Wir hatten die Hoffnung, dass unsere Anliegen ernst genommen und auch die notwendigen Umsetzungen erfolgen würden.
Was ist aus dieser Hoffnung geworden?
Margret Pernhorst: Natürlich haben sich Dinge geändert – auf Bistumsebene etwa, dass wir als Diözesankomitee der Katholiken mitbestimmen können bei der Einstellung unseres Geschäftsführers. Leider mussten wir feststellen, dass sich aber auch vieles nicht änderte. In Rom wie in Münster wurden Eingaben und Vorschläge ignoriert. Irgendwann sind wir vermutlich auch müde geworden. Wir Laien müssen uns vielleicht auch den Vorwurf machen, dass wir zu wenig in der Folge auf Veränderungen gedrängt haben. Wir hätten sehr viel hartnäckiger Veränderungen einfordern müssen.
Was ist vom Diözesanforum geblieben?
Margret Pernhorst: Nach meiner Wahrnehmung ist das Diözesanforum in der Versenkung verschwunden und wird auch gar nicht mehr wahrgenommen.
Woran liegt das?
Margret Pernhorst: Die Realität hat uns schneller eingeholt als uns lieb war. Kurz nach dem Diözesanforum wurden die Gemeindestrukturen erstmals massiv verändert – damals mit dem Modell der Pfarreiengemeinschaften, Seelsorgeeinheiten und auch Gemeindefusionen. Dies geschah schon damals vor dem Hintergrund des Priestermangels. Mir scheint, dass schon kurz nach dem Diözesanforum alles vergessen wurde, was man während des Forums diskutiert und beschlossen hatte. Die Bistumsleitung war nicht bereit, den Laien mehr Verantwortung zu übertragen.
Und was waren oder sind aus Ihrer Sicht die tieferen Ursachen?
Margret Pernhorst: Es war nicht gewollt, Macht abzugeben, Macht zu teilen – so ist es auch heute noch. Damals ist mir dies sicher nicht so bewusst gewesen, da war ich sicher zu blauäugig. Das habe ich aber selbst in den vielen Jahren meines ehrenamtlichen Engagements auf verschiedenen Ebenen der Kirche immer wieder so erlebt und durchblicke es jetzt: Es geht um die Machtfrage!
Wie sehen Sie die gegenwärtigen Gespräche im „Synodalen Weg“?
Margret Pernhorst: Ich will ehrlich sein: Ich bin sehr skeptisch geworden, ich erwarte nichts mehr. Die Kirchenleitung hat nicht verstanden, welch großer Druck sich aufgestaut hat. Die jetzigen Bemühungen kommen meines Erachtens schon fast zu spät. In den Gemeinden sind viele Menschen nicht mehr da. Heute ist in vielen Gemeinden ein Hauptamtlichen-Team zuständig und die Ehrenamtlichen sind zu wenig verantwortlich eingebunden – dann wenden sie sich ab und suchen sich ein anderes Tätigkeitsfeld, wo sie wertgeschätzt werden. Darum sage ich häufiger: Als Ehrenamtliche möchte ich nicht nur dafür verantwortlich sein, die Tische zu stellen und für das Gebäck zu sorgen.
Keine Hoffnung mehr?
Margret Pernhorst: Ganz ohne Hoffnung ist man ja nie. Wünschenswert wäre es, wenn der „Synodale Weg“ Erfolg hat. Hoffentlich gibt es Ergebnisse und Beschlüsse, die Veränderungen für die Menschen in den Gemeinden bringen und Neues ermöglichen. Wir Christinnen und Christen sollten aber auch klare Vorgaben machen: wenn es etwa dem „Synodalen Weg“ gelingt, hoffnungsvolle Zeichen zu setzen wie z.B. echte Mitverantwortung von Laien, die Zulassung von Frauen zum Priestertum, Gewaltenteilung usw. Denn Diözesanforen und Gesprächsprozesse wie der „Synodale Weg“ sind überflüssig, wenn sie vor Ort keine positiven Ergebnisse und konkrete Umsetzungen bringen.
Wie muss nach Ihrer Meinung die Kirche heute sein?
Margret Pernhorst: Wir, die Kirche, müssen das Leben der Menschen teilen. Das heißt, Anteil nehmen am Leben der Menschen, ihre Sorgen und Nöte ernstnehmen. Wir dürfen als Aktive auch nicht so viel fragen, was erlaubt ist. Wir sollten unsere christliche Werte leben und vor Ort neue Wege suchen und gehen. Dann hat die Kirche hierzulande Zukunft!
Mehr Infos und die Dokumente des Diözesanforums finden Sie hier ...